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Entspannungstherapie
Entspannungsverfahren oder Entspannungstechniken (synonym: Entspannungsmethoden) sind übende Verfahren zur Verringerung körperlicher und geistiger Anspannung oder Erregung. Körperliche Entspannung und das Erleben von Gelassenheit, Zufriedenheit und Wohlbefinden sind eng miteinander verbunden. Entspannungsverfahren werden als Behandlungsverfahren in der Psychotherapie und allgemein zur Psychohygiene genutzt.
Für die Übung der Entspannungsverfahren gibt es ritualisierte Settings, in denen eine bestimmte Zeitdauer der Übung mit festgelegten Übungsphasen, eine bestimmte körperliche Haltung, zumeist Sitzen oder Liegen, und die Konzentration auf bestimmte Vorstellungen oder Empfindungen vorgegeben werden.
Grundlagen
Ziel aller Entspannungsverfahren ist die Entspannungsreaktion, die sich auf neuronaler Ebene in einer Aktivierung des Parasympathikus und einer Schwächung des Sympathikus äußert. Auf der körperlichen Ebene wird der Muskeltonus verringert, die Reflextätigkeit vermindert, werden die peripheren Gefäße erweitert, wird die Herzfrequenz verlangsamt, der arterielle Blutdruck gesenkt, der Sauerstoffverbrauch reduziert, die Hautleitfähigkeit verringert, und zentralnervös werden die hirnelektrischen und neurovaskulären Aktivitäten verändert. Auf der psychologischen Ebene wird in der Entspannungsreaktion Gelassenheit, Zufriedenheit und Wohlbefinden erlebt und die Konzentrationsfähigkeit und Differenzierungsfähigkeit der körperlichen Wahrnehmung ist verbessert.
Alle Entspannungsverfahren zielen durch häufiges Wiederholen der Entspannungsreaktion auf eine Bahnung und Stabilisierung derselben im Zentralnervensystem ab. Je länger ein Entspannungsverfahren geübt ist, also je öfter und stärker die Entspannungsreaktion wiederholt wurde, desto schneller und leichter kann sie aufgrund von Konditionierungsprozessen im Alltag aktiviert werden. Eine kurze Selbstinstruktion oder eine kleine bewusste körperliche Veränderung können dann, selbst in Stresssituationen, schnell beruhigend wirken.
Die Entspannungsreaktion steht im Gegensatz zur Stressreaktion. Beide Reaktionen unterliegen psychophysiologischen Prozessen in der Wechselwirkung zwischen psychischen Vorgängen und körperlichen Funktionen. Manche Entspannungsverfahren, wie zum Beispiel die progressive Muskelentspannung, nutzen stärker die Möglichkeit durch Veränderung körperlicher Funktionen auf psychische Vorgänge Einfluss zu nehmen, während andere Entspannungsverfahren, wie zum Beispiel das autogene Training, stärker die Möglichkeit nutzen, durch Veränderungen psychischer Vorgänge die körperlichen Funktionen zu beeinflussen. In beiden Vorgehensweisen kann sich der Übende über die Zusammenhänge zwischen seinen körperlichen Empfindungen und seinen Bewusstseinszuständen bewusster werden.
In der Übung eines Entspannungsverfahrens lernt der Übende seine Gedanken und seinen Körper bewusst zu beeinflussen. Eine in dieser Weise bewirkte Steigerung des Wohlbefindens und Linderung oder bessere Bewältigung von Beschwerden stärkt das Erleben von Selbstwirksamkeit, Selbstkontrolle und Selbstkompetenz.
Übersicht Entspannungsverfahren
Autogenes Training und Progressive Muskelentspannung
Das Autogene Training und die Progressive Muskelentspannung sind die beiden klinisch bedeutsamsten Entspannungsverfahren. Allein diese Verfahren wurden speziell zur Übung der Entspannungsreaktion entwickelt, während die meisten Methoden, die auch als Entspannungsverfahren angewendet werden, andere primäre Zielsetzungen haben. Beide Methoden sind relativ leicht zu erlernen. Eine fachkundige Anleitung wird empfohlen, aber es werden auch Bücher und Audio-CDs zum Selbststudium angeboten.
Autogenes Training
Das Autogene Training ist ein von Johannes Heinrich Schultz in den 1930er-Jahren entwickeltes autosuggestives Entspannungsverfahren. Der Übende konzentriert sich auf kurze formelhafte Vorstellungen, die einige Zeit langsam wiederholt werden, wie zum Beispiel „Die Arme und Beine sind schwer.“ oder „Die Atmung geht ruhig und gleichmäßig.“
Progressive Muskelentspannung
Ungefähr zur gleichen Zeit, als Schultz das Autogene Training entwickelte, entstand die Progressive Muskelentspannung (Progressive Muskelrelaxation) von Edmund Jacobson. Hier spannt der Übende einzelne Muskelgruppen an und lässt sie wieder los. Wesentliches Element der Übungen ist die Aufmerksamkeit des Übenden für die empfundenen Unterschiede zwischen Anspannung und Entspannung.
Meditative Verfahren
Vielfältige Meditationmethoden und Yoga sind fernöstliche Praktiken mit spirituellem Hintergrund, die im Westen häufig säkularisiert wegen ihrer entspannenden Wirkung praktiziert und auch in die klinische Praxis integriert werden. Der Meditation und dem Yoga werden neben der Entspannungsreaktion weitergehende positive Wirkungen zugeschrieben.
Meditation
Im klinischen Bereich wird u. a. die Achtsamkeitsmeditation angewendet, wie sie im Zen und im Vipassana praktiziert wird und wie sie von Jon Kabat-Zinn in den 1970er-Jahren im Rahmen der Achtsamkeitsbasierten Stressreduktion als Entspannungsverfahren in der Verhaltenstherapie eingeführt wurde. Ähnlich verhält es sich mit der vorwiegend im englischsprachigen Raum verbreiteten Benson-Meditation, die dem Stressabbau dient.
Yoga
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand ein säkularisiertes Yoga, das vor allem wegen seiner positiven Effekte, sowohl auf die physische als auch auf die psychische Gesundheit, praktiziert wird. In Achtsamkeit praktizierte Körperstellungen (Asanas) und Atemübungen (Pranayama) bewirken eine Entspannungsreaktion.
Hypnose
Mit Hypnose können Trancen mit tiefen Entspannungszuständen induziert werden. Eine Hypnose, bei der lediglich ein tiefer Entspannungszustand ausgelöst wird und keine Suggestionen (Affirmationen) verwendet werden, nennt man Leerhypnose. Eine Hypnose im eigentlichen Sinne mit Suggestionen (Affirmationen) ist ein tiefer Entspannungszustand mit zusätzlichen Anweisungen an das Unterbewusstsein.
Eine Hypnose kann auch als Selbsthypnose durchgeführt werden.[1] Das Autogene Training ist eine standardisierte Form der Selbsthypnose.
Imaginative Verfahren
Fantasiereisen, Imaginationen oder Visualisierungen dienen, wenn sie als Entspannungsmethoden genutzt werden, der Vertiefung der Entspannung und sind oft Teil anderer Entspannungsverfahren wie die Oberstufe des Autogenen Trainings oder in einigen Formen der Meditation.
Biofeedback
Seit den 1960er-Jahren werden Biofeedback-Verfahren entwickelt und erforscht. Bei dieser Methode werden dem Übenden biologische Körperfunktionen, die normalerweise nicht wahrgenommen werden können, wie zum Beispiel Puls, Hautleitwert oder Hirnströme mittels elektronischer Hilfsmittel akustisch oder visuell zurückgemeldet und damit bewusst gemacht. Der Übende lernt, autonome Körperfunktionen willentlich und objektiv messbar zu beeinflussen. Biofeedback-Methoden können als eigenständige Verfahren angewendet oder zur Unterstützung beim Erlernen von Entspannungsverfahren genutzt werden.
Entspannung in Bewegung
Neben den in ruhender, meist sitzender oder liegender, Haltung geübten Entspannungsverfahren gibt es selbstständig übbare Methoden, die durch achtsame Bewegungen eine Entspannungsreaktion bewirken. Die erreichbare Entspannungsreaktion ist in diesen Übungen kleiner als in Übungen mit ruhender Haltung. Die Übungen sind als Entspannungsverfahren besonders für Menschen geeignet, denen eine längere ruhende Haltung schwerfällt oder die in der ruhenden Haltung zur Schläfrigkeit neigen.
Qigong und Taijiquan
Die fernöstlichen Methoden Qigong und Taijiquan dienen vorrangig der langsamen, meditativen Übung harmonischer fließender Bewegungen.
Körpertherapiemethoden
In einigen Körpertherapiemethoden wurden Übungen entwickelt, die außerhalb von Therapiesitzungen geübt werden können. Dazu zählen die Alexander-Technik, die Feldenkrais-Methode, die Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) und Atemtherapie-Methoden sowie die Funktionelle Entspannung.
Focusing
Focusing eignet sich durch das Konzept des Felt Sense als eigenständige Methode zur Entspannung[2][3][4] sowie zur vertieften Anwendung jeder anderen Entspannungsmethode.[5]
Wirkungen
Während der Übung eines Entspannungsverfahrens können aktuelle Spannungszustände oft schnell gelöst und chronische Spannungszustände reduziert werden. Nach drei bis vier Wochen regelmäßiger Übung wird der entspannende und beruhigende Effekt im Alltag spürbar, einerseits als eine größere allgemeine Gelassenheit und andererseits als eine bessere Fähigkeit der Selbstregulation, indem der geübte Entspannungszustand willentlich hergestellt werden kann. Entspannungsverfahren sind grundlegende Elemente des Stressmanagements.
Aufgrund der unspezifischen Wirkung der Entspannungsverfahren ist das therapeutische Anwendungsspektrum sehr breit. Sie sind in der Behandlung von zahlreichen psychischen und körperlichen Störungen und Krankheiten, oft als Zusatzmaßnahme, indiziert. Zu den psychischen Störungen, bei denen Entspannungsverfahren eingesetzt werden, gehören stressbedingte Störungsformen, Angststörungen, Belastungs- und Anpassungsstörungen, leichte bis mittelgradige depressive Störungen, Sprechstörungen, Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrome, und Störungen infolge von Substanzmissbrauch. Körperliche Erkrankungen, bei denen eine Wirksamkeit der Entspannungsverfahren nachgewiesen werden konnte, sind Bluthochdruck, koronare Herzerkrankungen, periphere Durchblutungsstörungen, Asthma bronchiale, gastrointestinale Störungen, Kopfschmerzen vom Migräne- und Spannungstyp, akute und chronische Schmerzen, Schlafstörungen, sexuelle Funktionsstörungen und somatoforme Störungen.[6][7]
Bei psychotischen Störungen, schweren depressiven Episoden, Zwangsstörungen und hypochondrischen Störungen können Kontraindikationen bestehen.
Anwendungsbereiche
Entspannungsverfahren finden in der Psychotherapie und in der psychosomatischen Medizin, sowohl in tiefenpsychologisch als auch in verhaltentherapeutisch orientierten Psychotherapieverfahren Anwendung. In psychosomatischen Kliniken werden oft mehrere unterschiedliche Entspannungsverfahren angeboten. Entspannungsverfahren werden auch in der Prävention, in der Rehabilitation, in der Sporttherapie,[8] im Wellnessbereich und allgemein im gesundheitstouristischen Sektor angewendet.[9][10] Sie sind Bestandteil vieler Volkshochschulprogramme. Die Kurse einiger Entspannungsverfahren werden von den Krankenkassen bezuschusst.
Literatur
Dennis Boyes: Autogenes Yoga. Tiefenentspannung im Liegen – praktische Übungsanleitungen für jedermann. Erweiterte Neuausgabe, 2. Auflage. Barth, München 1985, ISBN 3-502-63080-1.
Kristiane Gierra, Norbert Klinkenberg: Entspannungsverfahren. In: Volker Köllner, Michael Broda (Hrsg.): Praktische Verhaltensmedizin. Georg Thieme, Stuttgart u. a. 2005, ISBN 3-13-132151-2, S. 55–62, (Vorschau bei Google Books).
Edmund Jacobson: Entspannung als Therapie. Progressive Relaxation in Theorie und Praxis (= Leben lernen. 69). Aus dem Amerikanischen von Karin Wirth. 7. erweiterte Auflage. Klett-Cotta, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-608-89112-6.
Günter Krampen: Entspannungsverfahren in Therapie und Prävention. 3. Auflage. Hogrefe, Göttingen 2013. ISBN 978-3-8017-2414-6.
Tarthang Tulku: Selbstheilung durch Entspannung. Kum Nye – Körper- und Atemübungen, Selbstmassage und Meditationstechniken. Barth, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-426-29152-8.
Dieter Vaitl, Franz Petermann (Hrsg.): Entspannungsverfahren. Das Praxishandbuch. 3., vollständig überarbeitete Auflage. Beltz – PVU, Weinheim u. a. 2004, ISBN 3-621-27520-7 (Vorschau bei Google Books).
Einzelnachweise
1) John C. Ruch: Self-hypnosis: The result of heterohypnosis or vice versa? In: International Journal of Clinical and Experimental Hypnosis. Bd. 23, Nr. 4, 1975, S. 228–304, doi:10.1080/00207147508415952.
2) Focusing in der Deutschen Gesellschaft für Entspannungsverfahren
3) Joan Klagsbrun, Susan L. Lennox, Lauren Summer: Effect of „Clearing a Space“ on Quality of Life in Women with Breast Cancer. In: US Association for Body Psychotherapy Journal. Bd. 9, Nr. 2, 2010, S. 48–53, (Digitalisat (PDF; 83,27 KB)).
4) Fortbildung zur Bewältigung schulalltagsspezifischer Stressoren (Schulentwicklungspreis „Gute gesunde Schule“). (Memento des Originals vom 5. April 2011 im Internet Archive)
5) The First Step of Focusing Makes Any Stress-Reduction Technique More Effective. Stand 27. Februar 2011.
6) Kristiane Gierra, Norbert Klinkenberg: Entspannungsverfahren. In: Volker Köllner, Michael Broda (Hrsg.): Praktische Verhaltensmedizin. 2005, S. 55–62.
7) Vaitl, Dieter; Petermann, Franz: Entspannungsverfahren (Hrsg.): Das Praxishandbuch. S. 5, BeltzPVU, 2004, ISBN 3621275207, Vorschau bei Google Books
8) H. Deimel: Entspannungsverfahren in der Sporttherapie. In: Klaus Schüle, Gerhard Huber (Hrsg.): Grundlagen der Sporttherapie. Prävention, ambulante und stationäre Rehabilitation. 2., überarbeitete Auflage. Elsevier, Urban und Fischer, München u. a. 2004, ISBN 3-437-46411-6, S. 184–196.
9) Monika Rulle, Wolfgang Hoffmann, Karin Kraft: Erfolgsstrategien im Gesundheitstourismus. Analyse zur Erwartung und Zufriedenheit von Gästen. Erich Schmidt, Berlin 2010, ISBN 978-3-503-12602-6, S. 58 ff.
10) Entspannungstechniken. (Memento des Originals vom 13. August 2014 im Internet Archive) Website von Rheinland-Pfalz Tourismus. Abgerufen am 17. Dezember 2014.
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Entspannungsverfahren. Abgerufen am 25.01.2020)
Fight, Flight, Freeze and Fawn
Most people are aware of the first two stress reactions: the fight or flight response. Get your fists up or run for the hills.
Some still remember to count in freeze as well. Actually, this has always been a very important reaction. Think of an animal baby that is lying alone in a field. It certainly cannot fight and running is not really an option either. So it freezes. Human eyes and animal eyes usually focus on movement. We have a hard time recognizing something if it is still as a rock.
The last one is not so common: fawn. Yet many of us do it without realizing. If you can't fight, flight or freeze you fawn - meaning you become extra nice to your adversary (the one that stresses and/or threatens you), you try to give him or her as little reason to attack as possible. You become very submissive, do and say what you think is expected and pleases, are quick to apologize even if there was no mistake and go the extra mile. All so the other part won't have grounds to become angry and get at you.
It is crucial to realize these reactions as stress reactions once we show the symptoms. Only if we are aware of what is happening will we have the possibility to make a conscious effort to change things for the better and learn how to appropriately handle stress.